Interview: Energiewende mal anders mit Prof. Dr. Volker Quaschning
Liebe Leser:innen, heute dürfen wir Sie zu unserem ersten Experten-Interview mit Professor Volker Quaschning begrüßen. Wir haben viel über erneuerbare Energien, die Energiewende und den Klimawandel gesprochen und möchten die spannenden Antworten gerne mit Ihnen teilen. An dieser Stelle bedanken wir uns auch noch einmal herzlich für die Zeit und die ehrlichen Antworten von Herrn Quaschning.
Wer ist unser Energiewende-Experte?
Vielen unserer Leser:innen wird der Name Volker Quaschning bestimmt schon bekannt sein – trotzdem möchten wir an dieser Stelle ein paar Worte zu seinem beeindruckenden Lebenslauf verlieren. Neben seiner Tätigkeit als Professor für erneuerbare Energiesysteme an der HTW Berlin beschäftigt Quaschning sich schon seit den 80ern auch privat mit unterschiedlichen Themen rund um erneuerbare Energien und den Klimawandel.
So gehörte er im Frühjahr 2019 zu den Gründungsmitgliedern der Scientists-for-Future-Bewegung und informiert die Menschen seit vielen Jahren – nicht nur im Hörsaal, sondern auch auf Tagungen, in Vorträgen und Interviews über erneuerbare Energien. Nebenbei betreibt er außerdem einen eigenen YouTube-Kanal und seit diesem Oktober auch einen Podcast, in dem aktuelle Themen rund um die Energiewende behandelt werden.
Foto: Nikolas Fahlbusch/HTW Berlin
Herr Prof. Dr. Quaschning, Sie haben sich auch schon in den 90er-Jahren wissenschaftlich mit erneuerbaren Energien beschäftigt. Auch da gab es bereits Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke. Warum haben Sie sich schon damals besonders für die Solarenergie interessiert?
Volker Quaschning: Gute Frage. Ich bin von der Ausbildung her Elektrotechniker. Für meine Diplomarbeit habe ich damals ein Gerät gebaut, das mit Photovoltaik und Wind versorgt wurde und insofern habe ich eigentlich Erfahrung in beiden Bereichen. Die Entscheidung für die Photovoltaik fand eher unbewusst statt – offensichtlich war mir als Elektrotechniker die Technologie ein bisschen sympathischer. Ich kann aber sagen, dass ich mich nicht nur in der Photovoltaik, sondern in allen Bereichen der erneuerbaren Energien zu Hause fühle. Das ist auch gut so, denn wenn wir klimaneutral werden wollen, können wir auch nicht nur auf eine Technologie setzen.
Aktuell wird das EEG überarbeitet. Können Sie unseren Leser:innen erklären, was hier in Bezug auf die Solarenergie geplant ist und was Sie von den Maßnahmen halten?
Volker Quaschning: Da muss ich zunächst etwas ausholen: Das EEG ist das Erneuerbare Energien Gesetz. Es regelt den Netzzugang und die Vergütung für die erneuerbaren Energien und ist damit eines der wichtigsten Gesetze überhaupt. Es hat die Kontrolle über den Ausbau der Solar- und Windenergie für die Stromproduktion und beeinflusst die Energiewende in Deutschland unmittelbar. Wenn das EEG gut ist, dann haben wir eine gute Energiewende. Aber wenn es schlecht ist, dann torpedieren wir die Energiewende in Deutschland. Und für das EEG kann ich aktuell leider nur ein Urteil geben: Thema verfehlt. Man hat in den letzten Jahren einen Haufen Maßnahmen eingeführt, die die Energiewende reglementieren, erschweren und begrenzen. Das ist ein Frontalangriff auf den Klimaschutz.
Die Energiewende in Deutschland
Denken Sie, dass wir die Klimaziele (z. B. die vom Pariser Klimaschutzabkommen) erreichen werden? Was müsste passieren, damit wir es schaffen?
Volker Quaschning: Ich werde immer gefragt: „Ist denn die Erde noch zu retten?” Definitiv ja. Es gibt bei der Klimakrise aber eine Temperatur, die wir nicht überschreiten dürfen, weil es sonst zu katastrophalen Zuständen kommt – und das ist die 1,5 Grad-Grenze. Es entscheidet sich in den nächsten 5 Jahren, ob wir noch eine Chance haben, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Wenn wir jetzt noch fünf Jahre im Schneckentempo weitermachen, dann werden wir das in jedem Falle versäumen. Wir können nicht irgendwann in beliebig kurzer Zeit beliebig viele erneuerbare Energien zubauen, sondern müssen heute anfangen. Und ich würde sagen, mit ambitionierten Maßnahmen ist es jetzt noch möglich, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.
Kommt alles auf Politik und die Gesetzgebung an oder können auch wir Privatpersonen einen entscheidenden Einfluss auf den Klimaschutz nehmen? Worauf müssen Privatpersonen achten, um einen möglichst großen Effekt zu erzielen?
Volker Quaschning: Ja, natürlich wird es eine Kombination sein. Man muss erst einmal im privaten Umfeld schauen und versuchen seinen eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Jeder von uns kann diesen mit den richtigen Maßnahmen halbieren. Aber natürlich muss die Politik auch die Rahmenbedingungen schaffen, damit zum Beispiel auch öffentliche Bereiche wie der Nahverkehr auf erneuerbare Energien umsteigen.
Im privaten Bereich kann man vor allem bei der Ernährung und der Mobilität viel einsparen. Wenn ich meinen Fleischkonsum drastisch reduziere und auf das Fliegen verzichte, dann macht das einen extrem großen Unterschied. Natürlich sollte man auch auf Plastiktüten verzichten und andere Maßnahmen berücksichtigen, den größten Hebel hat man aber tatsächlich bei der Ernährung, der Mobilität und der Energieversorgung. Auch der Umstieg auf einen grünen Stromanbieter – oder noch besser eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder dem Balkon – kann hier sinnvoll sein.
Wissenschaft gegen Klimawandel – mit YouTube und Podcast
Neben Ihren wissenschaftlichen Werken haben Sie auch Literatur für den “Normalbürger” verfasst und beschäftigen sich auf Ihrem YouTube-Kanal mit verschiedenen Themen rund um die Energiewende. Was hat Sie zu dieser Art der Arbeit bewegt?
Volker Quaschning: Leider hat man das Gefühl, dass der Klimaschutz daran scheitert, dass viele Menschen noch gar nicht verstanden haben, was da eigentlich auf uns zukommt. Viele wissen einfach noch gar nicht, was man da tun kann und das führt dann auch dazu, dass wir nicht tätig werden. Und deshalb glaube ich, ist es die Rolle der aufgeklärten Wissenschaft, diese Informationen nicht nur in der Fachwelt zu publizieren, sondern auch die Öffentlichkeit zu informieren. Und mit den sozialen Medien erreicht man heute einfach unglaublich viele Menschen. Ein Vortrag, bei dem mir 300 Leute zuhören ist zwar ganz nett. Aber wenn ich einen Podcast aufnehme, den 10.000 Menschen hören, oder ein YouTube-Video drehe, das 100.000 ansehen, dann sind das ganz andere Dimensionen. So viele Vorträge könnte ich in meinem ganzen Leben nicht halten.
Sie haben gerade mit der Aufnahme eines eigenen Podcasts begonnen. Was können die Hörer:innen hier thematisch erwarten und könnten die Themen auch für unsere Leser:innen interessant sein?
Volker Quaschning: Auf alle Fälle. Meine Frau und ich versuchen im Podcast aktuelle Themen aufzugreifen, die momentan im Bereich Klimakrise, Energiewende akut sind. Zum Beispiel das neue EEG, das haben wir sehr ausführlich besprochen, was da geplant wurde. Oder eine Frage, die wir auch schon hatten: Kann man in der Klimakrise noch fliegen? Wenn ja – wie geht das mit dem klimaverträglichen Fliegen? Oder es gab jüngst eine fehlerhafte Studie, die hat ausgerechnet, dass der Diesel besser für das Klima wäre als das Elektroauto. Was ist da falsch? Und wir haben ausführlich erklärt, was man beim Bau der eigenen Photovoltaikanlage alles berücksichtigen muss.
Überall gibt es einen Haufen Fehlinformationen, die versuchen wir aufzudecken, um einfach auch Vorurteile zu beseitigen und Fakten an die Hand zu geben. So können die Leute informierte Entscheidungen treffen und wissen am Ende auch warum es die richtige Entscheidung ist.
Jetzt anhören: In seinem Podcast behandelt Volker Quaschning verschiedene Themen rund um die Energiewende.
Sie haben in der Vergangenheit schon viele Vorträge gehalten und Interviews gegeben. Gibt es im Bereich der erneuerbaren Energien auch Fragen, welche Ihnen zu selten gestellt werden oder Themen, die Sie gerne ausführlicher behandeln würden?
Volker Quaschning: Das ist eine gute Frage. Ich denke, wir weisen immer noch viel zu wenig darauf hin, was wir eigentlich tun müssten. Bei der aktuellen Diskussion über den Klimawandel in Deutschland hat man oftmals den Eindruck, dass die Menschen glauben, dass wir in Deutschland besonders gut dabei sind und der Klimaschutz nur deshalb nicht funktioniert, weil Länder wie China oder die USA nicht mitmachen. Wenn wir das nüchtern vergleichen, dann sind wir nicht besser als die USA oder andere Länder – zumindest was den Ausbau an erneuerbaren Energien angeht.
Hinzu kommt, dass das Tempo einfach ein ganz falsches ist. Das begegnet mir immer wieder. Diese falsche Selbstwahrnehmung, nach dem Motto: Wir sind gut. Wenn alle so handeln würden wie wir, wäre alles ok. Dabei ist es eigentlich andersherum. Wir müssen erst einmal anerkennen, dass wir hier in Deutschland pro Kopf doppelt so viel CO2 ausstoßen wie der Weltdurchschnitt. Wir sind also eigentlich das Problem und müssen auch die Lösung liefern und handeln. Das kommt, glaube ich, immer zu kurz.
Möchten Sie zum Abschluss noch ein paar Worte sagen oder unseren Leser:innen etwas mitgeben?
Volker Quaschning: Ja, ich glaube, viele verdrängen das Problem der Klimakrise, weil sie denken: Das ist schlimm und es ist eine Katastrophe, die auf mich zurollt, ohne dass ich daran etwas ändern kann. Das ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Viele verkennen, dass wir auch viele große Chancen haben, dem Klimawandel zu begegnen. Und wenn wir einfach jetzt im Bereich des Klimaschutzes vorangehen, dann können wir auch Technologien voranbringen, wir können in Deutschland den Wohlstand verstärken und wir können auch am Ende eine Welt schaffen, in der wir uns alle besser fühlen.
Ich kenne viele Leute, die sich eine Photovoltaik-Anlage gebaut haben und dann täglich nachschauen, wie viel Solarstrom sie erzeugt haben. Das ist ähnlich wie bei den Lottozahlen, nur dass man mir der Solaranlage täglich Gewinne einfährt.. Das erzeugt dann eine gewisse Befriedigung, zu sehen, dass man etwas Positives geleistet und einen Beitrag zur Energiewende geleistet hat. Das heißt also, Klimaschutz ist nicht nur Verzicht, sondern es gibt auch diese positiven Effekte. Wir müssen sehen, dass es eine große Herausforderung ist, wir dabei aber alle nur gewinnen können – das müssen wir versuchen zu verstehen.
Fazit: Die Energiewende als Chance verstehen
Herr Quaschning konnte uns interessante Einblicke in die wissenschaftliche Perspektive auf Energiewende, Klimawandel und erneuerbare Energien bieten. Auch wenn die Situation ernst ist und schnelles Handeln erfordert, sollten wir unseren Optimismus und Tatendrang nicht verlieren. Jede:r Einzelne kann etwas zur Energiewende und zum Umweltschutz beitragen – das hat das Interview verdeutlichen können. Dabei geht es nicht immer um Verzicht. Wir müssen auch die positiven Seiten und die Chancen der Energiewende erkennen und uns die erneuerbaren Energien zunutze machen.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in Deutschland seit 2010 leider deutlich an Geschwindigkeit verloren. Tausende Arbeitsplätze sind in der Wind- und Solarbranche verloren gegangen. Umso wichtiger ist es, dass auch die Bevölkerung Farbe bekennt und den gesellschaftlichen Diskurs wieder in Richtung des Klimawandels und des Umweltschutzes lenkt. Eine einzelne Photovoltaik-Anlage mag zwar vielleicht nicht den Planeten retten, aber gemeinsam können wir der Politik zeigen, dass wir bereit sind, zu handeln und unsere Zukunft besser zu gestalten.
Lesen Sie auch die weiteren Interviews in dieser Reihe: Felix Goldbach, Timo Leukefeld, Andreas Kühl