Streiken fürs Klima? Ja, bitte. Ein Plädoyer gegen die toxische Gleichgültigkeit

Der Sommer war doch wunderbar: Sonnig, trocken, warm. Bestes Wetter, um sich viel draußen aufzuhalten und dem allgegenwärtigen Coronavirus auszuweichen. Der abgesagte Urlaub schmerzte gleich viel weniger. Und diese wunderbaren Sonnenuntergänge an diesen Spätsommerabenden – ein Traum.  Klimawandel – war da was? Fühlt sich doch gar nicht so schlimm an… Heute gehen die Menschen weltweit wieder auf die Straßen, um ein Jahr nach der größten Klimademo aller Zeiten erneut gegen klimafeindliche Politik zu protestieren und einzufordern, was vor knapp 5 Jahren in Paris beschlossen wurde: eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad. Aber müssen Demonstrationen zu Corona-Zeiten wirklich sein? Ich nehme die Antwort vorweg: Ja, es muss sein! Denn auch, wenn andere Themen oder Krisen aktuell vielleicht dringlicher und unmittelbarer erscheinen mögen, die Folgen der Klimakrise werden die heutigen Herausforderungen im Nachgang wie einen Spaziergang aussehen lassen. Um das Schlimmste noch abzuwenden, ist es absolut notwendig, jetzt zu handeln.

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Die Auswirkungen der Klimakrise spüren wir bereits heute

Und die Fakten sprechen für sich: Dieser Sommer war ein Albtraum für den Planeten. Die Welt brennt: Im Amazons fressen sich seit Jahresbeginn über zehntausend Feuer unaufhaltsam durch den Dschungel. Der Raubbau für unseren Fleischkonsum ist schlimmer denn je. Die Arktis verkohlt: In der sibirischen Tundra setzten großflächige Torfbrände in diesem Sommer eine Rekordmenge an Kohlendioxid frei: 244 Megatonnen bis Ende August. Kaliforniens Wälder stehen regelmäßig in Flammen, in diesem Jahr sind 1,2 Mio. Hektar abgebrannt – ein Gebiet so groß wie Schleswig-Holstein. In Australien waren die Brände Anfang des Jahres sogar noch verheerender. Hier wurden Wälder vernichtet, die eigentlich als zu feucht dafür galten. Dennoch ist eine Fläche abgebrannt, die einem Drittel Deutschlands entspricht. Und auch hierzulande hat die Dürre Folgen: Deutschland wird schätzungsweise 50 Prozent des Waldes aufgrund von Trockenheit und Schädlingen verlieren. Durch den erlahmten Jet Streams drohen auch uns Szenarien wie sie heute in Kalifornien Alltag sind.

Diese dramatischen klimatischen Veränderungen passieren bereits heute, bei einer Erderwärmung von gerade einmal 1,16 Grad. Aktuell steuern wir mit unserer Lebensweise jedoch auf 3-5 Grad zu. Da fällt es einem nicht schwer, sich vorzustellen, dass ein Großteil der Erdoberfläche dann in absehbarer Zeit zu Savanne (in tropischen) oder Steppe (in gemäßigten Breiten) werden würde.

Diese Entwicklungen werden von wissenschaftlichen Analysen und Szenarien untermauert und sind kein Geheimnis. Dennoch erhalten diese Fakten nicht die Aufmerksamkeit, die ihre Dramatik erfordern. Das ist tragisch, in gewisser Weise aber auch verständlich: Wir stecken schließlich in einer Pandemie und einer drohenden Wirtschaftskrise. Die Gedanken kreisen um die unmittelbaren Dinge: die eigene Gesundheit, die Familie, den Arbeitsplatz, die möglichen Folgen der Pandemie, den nächsten Urlaub, vielleicht auch um Fußball.

Ist dem Klimawandel also der Newswert verloren gegangen? Sind die Meldungen abgenutzt und ähneln sich zu sehr? Feuer, Dürre, Unwetter, Plagen an immer wieder unterschiedlichen Orten, aber immer ähnlich und weit genug weg, zu abstrakt und letztlich für die meisten irrelevant zu sein?

Ich finde nicht! Ich hoffe, nicht.

Der Klimaschutz braucht auch jetzt noch eine starke Stimme

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Es ist immer noch nicht zu spät, um einige wichtige Hebel umzulegen. Allen voran braucht es einen  beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien, ebenso wie eine Transformation bzw. Dekarbonisierung des Energiemarkts und Verkehrssektors. Außerdem ist es entscheidend, die Wirtschaft zu einem nachhaltigen System umzubauen, das viel stärker in kleinen regionalen Netzwerken und Zusammenhängen denkt und handelt.

Auch für das „Haltung zeigen“, das „Farbe bekennen“, die Demonstrationen und Klimastreiks ist es nicht zu spät. Solange es kein Committment der Politik zu den Pariser Klimazielen gibt und dieses mit Maßnahmen untermauert ist, solange weiterhin Gesetzesanpassungen im Raum stehen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen, verteuern oder zu bürokratisieren versuchen, braucht es laute Stimmen, die ein entschiedeneres Handeln fordern.

Deshalb freuen wir uns über jede Einzelne und jeden Einzelnen, die oder der heute am 25.9. für diese wichtige Sache auf die Straße geht und über alle Bemühungen, die den Fokus heute auf die Klimapolitik lenken. Sie sollen die Politiker und uns alle daran erinnern, dass wir gemeinsam eine Verantwortung dafür tragen, aus dem zu lernen, was wir sehen und hören.

Aus einer streikenden Schülerin in Schweden ist innerhalb von zwei Jahren eine Bewegung geworden, die von Fridays-for-future, Scientists-for-future über Omas-for-future bis zu den Entrepreneurs-for-future und den Ecomists-for-future reicht. Sie hat neue Diskurse gestartet, Netzwerke geschaffen und Impulse erzeugt, die heute bis in die inneren Mechanismen der traditionellen Systeme wirken. Dranbleiben lohnt sich also!